Foto: 1. FC Kaiserslautetern
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Alles Gute zum Geburtstag, Windhund!

Weltmeister Horst Eckel wird heute 89 Jahre alt

08.02.2021

 

Der Schreck war groß, als Ende des vergangenen Jahres publik wurde, dass sich Horst Eckel bereits vor den Weihnachtsfeiertagen bei einem Sturz im eigenen Heim in Vogelbach schwer verletzt hatte. Er habe sich dabei unter anderem Rippenbrüche, eine Gehirnerschütterung sowie einen Nasen- und Kieferbruch zugezogen, wie Tochter Dagmar Eckel bei besorgten Anfragen von Presse und Verein auf den Schreckmoment vom 22. Dezember zurückblickte. Seit Mitte Januar ist Horst Eckel wieder zuhause in seinem vertrauten Umfeld, wo er heute seinen 89. Geburtstag begeht. Ohne Gäste, nur zusammen mit seiner Ehefrau Hannelore. Nicht nur wegen der aktuellen Corona-Pandemie, sondern auch um bewusst abschalten zu können, weiter Kraft zu tanken und den noch immer fortschreitenden Genesungsprozess zu beflügeln.

 

Die erlittenen Verletzungen seien ganz gut verheilt, doch es dauere noch, ehe der Weltmeister von 1954 wieder vollständig genesen sei. Auch daher wolle er nach all der Aufregung mit dem Aufenthalt in der Homburger Uni-Klinik und der direkt daran anschließenden Reha, in der er mit bewundernswerter Zähigkeit an sich gearbeitet hatte, an seinem Jubeltag einfach seine Ruhe haben, bestätigte auf Anfrage Tochter Dagmar Eckel. Sich in eine Situation hinein kämpfen zu können, diese Erfahrung begleitete Horst Eckel seine gesamte fußballerische Laufbahn über. Angefangen damit, dass sich das in jungen Jahren schmächtige "Kerlchen" stets gegenüber den körperlich oft überlegenen und technisch versierteren Jungs, mit denen er kickte, hatte durchsetzen müssen. Oder man denke an den schweren Beinbruch, den er nach der Fußballweltmeisterschaft 1954 erlitten hatte. Auch damals schaffte er es, mit Ehrgeiz, unbändigem Willen und mit Zähigkeit wieder ganz der Alte zu werden.

Foto: 1. FC Kaiserslautern
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Unter den Fittichen seines um acht Jahre älteren Bruders Hans, durfte Horst Eckel auf dem Schulhof in Vogelbach, nahe dem Elternhaus, seine ersten Begegnungen mit dem runden Leder machen. Seine körperlichen Nachteile glich er von Anfang an durch Wendigkeit, Lauffreudigkeit, Willen und Kampfgeist aus. Die harten Erfahrungen, die er im Spiel mit den Älteren sammelte, lehrten ihn, sich durchzusetzen. Während der Kriegsjahre war im örtlichen Fußballverein das Fußballspielen nicht möglich. Wegen des nahen Westwalls und zahlreicher Fliegerangriffe auf Homburg und den Bahnhof in Bruchmühlbach mussten die Kinder meist in der Nähe der Wohnhäuser spielen. Als sein Bruder Hans 1942 gefallen war, durfte Horst nicht mehr auf die Straße, sobald Fliegeralarm war. Er spielte dann zum Unwillen seiner Mutter kurzerhand Fußball im Haus. Da sich seine Eltern kurz nach dem Krieg getrennt hatten, wuchs Horst Eckel in Vogelbach bei Mutter und Schwester in finanziell bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater war im Nachbarort beruflich als Stellwerksleiter bei der Bundesbahn beschäftigt und in der Freizeit engagierter Schiedsrichter.

 

Nach der achtjährigen Schulzeit fand Horst Eckel im Jahr 1948 Arbeit im Sägewerk in Bruchmühlbach. Karger Lohn waren wenige Pfennige in der Stunde und manchmal gab es ein paar Lebensmittel. Im Alter von 15 Jahren kickte er kurze Zeit in der A-Jugend und der Reservemannschaft einer Spielgemeinschaft aus Vogelbach und Bruchmühlbach. Nach Auflösung der Spielgemeinschaft lief er im gleichen Alter mit Zustimmung der Eltern und einer ärztlichen Sondergenehmigung in der ersten Mannschaft von Vogelbach auf. Er lief schnell und galt als abgeklärt und torgefährlich. Sein Ehrgeiz war früh geweckt. Einmal Mannschaftstraining pro Woche war ihm zu wenig, er verbesserte sich durch tägliches Einzeltraining mit dem Ball, manchmal auch mit Kameraden, die gerade Zeit hatten. Ab 1948 kamen auch Waldläufe hinzu. Sie waren ein weiterer Schritt auf dem Weg für die Ausbildung seiner schon in jungen Jahren überdurchschnittlich guten Kondition. Als Mittelstürmer war er Torschützenkönig seiner Mannschaft.

Foto: 1. FC Kaiserslautern
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So richtig entdeckt wurde er bei einem Spiel anlässlich eines Sportfestes im Jahr 1949 in Kindsbach. Unmittelbar nach der Halbzeit erzielte Horst Eckel mit einem Volleyschuss den 2:3-Anschlusstreffer und spielte sich in einen Rausch! Vogelbach gewann mit 8:4 und der junge Mittelstürmer hatte sechs Tore erzielt! Es war der damalige FCK-Juniorentrainer Richard Schneider, der ausgerechnet jene zweite Halbzeit beobachtet hatte. Der FCK nahm in der Folgewoche Kontakt zu Horst Eckel auf und bat darum, dass dieser sich schon am nächsten Tag zum Juniorentraining des FCK einfinden solle. Mit Ernüchterung musste Horst Eckel dort aber zur Kenntnis nehmen, dass seine Mannschaftskameraden ihm in punkto Ballfertigkeit und Technik weit überlegen waren. Er war drauf und dran, das Training abzubrechen und nach Vogelbach zurückzukehren. Doch Fritz Walter und Richard Schneider rieten zur Geduld. Die zu beherzigen, sollte sich lohnen. Er wurde schon bald in die Juniorenmannschaft des FCK aufgenommen.

 

Fortan hieß es zunächst zweimal pro Woche den Weg nach Kaiserslautern anzutreten. Übrigens mit dem Fahrrad, später mit einem Moped oder auch mal mit dem Zug. Mit jeder Trainingseinheit machte er technische Fortschritte. In seinem ersten Spiel bei den FCK-Junioren erzielte er in Mehlingen als Mittelstürmer fünf Tore und da ihm in den Finalspielen um die Südwestmeisterschaft gegen den VfR Frankenthal insgesamt zehn Treffer gelangen, wurde man in der Ersten Mannschaft auf ihn aufmerksam. Nach nicht mal einer ganzen Saison bei den Junioren des FCK, durfte er am Training der Spieler um Fritz Walter teilnehmen. Dort debütierte er am 3. Mai 1950 an einem Nachholspieltag beim 1:1-Heimspielremis gegen Phönix Ludwigshafen in der Fußball-Oberliga Südwest. Als Ersatz für den fehlenden Mittelstürmer Ottmar Walter sah er aber über 90 Minuten nach eigener Aussage keinen Ball. Der Unterschied zwischen den Junioren und der Reserve gegenüber der ersten Mannschaft war gravierend, da das Spiel insbesondere wesentlich schneller und härter war. Er musste feststellen, dass er noch nicht so weit war. Von Fritz Walter bekam er aber die aufmunternden Worte zu hören: "Du bleibst hier, Du trainierst weiter bei uns und Du spielst mit uns!" Das gab ihm Selbstbewusstsein und spornte ihn zu noch konsequenterem Training an. Dienstags und donnerstags trainierte er in Kaiserslautern, mittwochs nahm er am Mannschaftstraining in Vogelbach teil. An den anderen Tagen trainierte er zusätzlich entweder alleine oder mit ehemaligen Vogelbacher Mannschaftskameraden. Zudem ging er noch nach den FCK-Trainingstagen in Vogelbach zum Tischtennis, weil er es gut für die Förderung der Beweglichkeit und Reaktion hielt. Übrigens, den Pingpong-Ball bugsiert Horst Eckel noch heute gerne über das Netz auf der Platte!

Von links, Horst Eckel, Fritz und Ottmar Walter, Werner Liebrich (Foto: Bernd Endres)
Von links, Horst Eckel, Fritz und Ottmar Walter, Werner Liebrich (Foto: Bernd Endres)

So richtig hell zu leuchten begann der Stern von Horst Eckel dann während der Endrundenspiele um die Deutsche Meisterschaft 1951. In sechs Spielen kam er zum Einsatz und leistete mit seinen sechs Toren in den Begegnungen gegen Fürth, St. Pauli und den FC Schalke 04 einen überragenden Beitrag. Verdienter Lohn war das Endspiel gegen Preußen Münster. Im Finale in Berlin lief Horst Eckel als Rechtsaußen auf und war mit seinem couragierten Spiel am 2:1-Erfolg des FCK maßgeblich beteiligt, auch wenn es Ottmar Walter war, der die beiden Lauterer Tore zum Gewinn der Meisterschaft erzielte. Horst Eckel besaß natürlichen Ehrgeiz und ein hohes Maß an Disziplin und Spielverständnis. Er vermochte die taktischen Anordnungen seiner Trainer ausgezeichnet umzusetzen und Sonderaufgaben während eines Spieles zu erfüllen. So gelang auch die Umschulung des Stürmers zum rechten Außenläufer problemlos, wobei ihm seine Schnelligkeit, seine Zweikampfstärke und Hartnäckigkeit zugutekamen. Oft genug entwickelte er auch als Mittelfeldakteur starken Drang auf das gegnerische Tor, wovon in seinen 213 für den FCK bestrittenen Pflichtspielen 64 Torerfolge Zeugnis ablegen. Horst Eckel war auch 1953 beim zweiten Meisterschaftstriumph seines FCK gegen den VfB Stuttgart ebenso mit von der Partie, wie auch bei den Endspielniederlagen 1954 (gegen Hannover 96) und 1955 (gegen Rot-Weiß Essen).

 

Bereits 1951 zeigte übrigens auch Bundestrainer Sepp Herberger Interesse an dem schnellen und konditionsstarken FCK-Spieler. Fritz Walter bezeichnete Horst Eckel dem "Chef" gegenüber als "Windhund", auf den man durchaus bauen könne. Bald darauf erfolgte Eckels Berufung in die deutsche Nationalmannschaft, für die er bis 1958 immerhin 32 Länderspiele absolvieren sollte. Die vielleicht denkwürdigsten darunter sollten die Partien werden, die Horst Eckel als 22-jähriger bei der Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz absolvieren durfte, an deren Ende der überraschende Titelgewinn stand. Es war für alle Akteure der Nationalmannschaft der glanzvolle Höhepunkt ihrer Fußballerkarrieren. Trotz einer deftigen Niederlage gegen den hohen Favoriten Ungarn konnte sich die deutsche Mannschaft in zwei Spielen gegen die Türkei durchsetzen und nach Erfolgen gegen Jugoslawien und Österreich ins Finale einziehen. Gegner war erneut die "Wundermannschaft" aus Ungarn, die seit vier Jahren kein Spiel verloren, England im Wembley-Stadion bezwungen hatte und überdies Olympiasieger war. Horst Eckel und Werner Liebrich hatten sich nach Anweisung von Trainer Sepp Herberger die Bewachung der gefährlichen ungarischen Stürmer Ferenc Puskas und Nándor Hidegkuti so zu teilen, dass Letzter, der oft hinter den Spitzen agierte, seine Gefährlichkeit auch bei plötzlichen Vorstößen nicht entfalten konnte. Mit Ausnahme der aus deutscher Sicht unglücklich verlaufenen Anfangsphase des Spiels fruchtete diese Maßnahme hervorragend. Mit den Toren von Maxl Morlock und Helmut Rahn wurde der übermächtige Gegner aus Ungarn niedergerungen und mit 3:2 geschlagen. Deutschland war erstmals Fußball Weltmeister! Unter jenen Helden von Bern waren mit Fritz Walter, Ottmar Walter, Werner Liebrich, Werner Kohlmeyer und eben Horst Eckel immerhin fünf Spieler des 1. FC Kaiserslautern. Heute ist Horst Eckel der letzte noch lebende Spieler der Mannschaft, die an jenem 4. Juli 1954 als Weltmeister das Berner Wankdorf-Stadion verlassen hatte.

Foto: 1. FC Kaiserslautern
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Vier Jahre nach dem überraschenden Gewinn der WM in der Schweiz war Horst Eckel auch im Kader bei der WM in Schweden, wo die deutsche Auswahl ihren Titel leider nicht verteidigen konnte und am Ende einen achtbaren 4. Platz belegte. Wie sein Kapitän und Mentor Fritz Walter bekam auch Horst Eckel Angebote für einen Wechsel ins Ausland, doch der bodenständige und heimatverbundene Pfälzer lehnte ab. Er war allerdings klug genug, rechtzeitig für das Leben nach der Fußballerkarriere vorzusorgen. So verließ er aus beruflichen Gründen 1960 den Betzenberg, ließ sich reamateurisieren und wechselte SV Röchling Völklingen. Nach dem Ende seiner Fußballerkarriere erwarb er sich in einem Studium die Lehrbefähigung für die Fächer Sport und Werken und war bis zu seiner Pensionierung als beliebte und kompetente Lehrkraft an der Realschule Kusel tätig.

 

Der stets faire, sympathische und bescheidene Sportsmann und Familienvater Horst Eckel wirkte für die Sepp-Herberger-Stiftung und bei der Initiative "Respekt!", erhielt für sein soziales Engagement hohe Auszeichnungen und wirkte bis vor wenigen Jahren bei Benefizspielen in der FCK-Traditionsmannschaft und in verschiedenen Promi-Teams mit. Nach ihm sind die Sportanlage seiner Heimatgemeinde, ein Gebäude der Realschule Kusel sowie ein Eisenbahnzug benannt. Horst Eckels Ruhm als Weltmeister und Deutscher Meister des 1. FC Kaiserslautern ist dank seiner vorbildlichen Persönlichkeit auch Jahrzehnte nach seinen großen Erfolgen nicht verblasst und dient auch der gegenwärtigen Generation als leuchtendes Beispiel. Am heutigen 8. Februar 2021 feiert Horst Eckel seinen 89. Geburtstag und ganz Fußball-Deutschland ist heute in Gedanken in Vogelbach beim letzten "Helden von Bern". Verbunden mit den besten Wünschen zu seinem Geburtstag und der Hoffnung für eine baldige Genesung der jüngst erlittenen Verletzungen.

 

mg / hw

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