Seppl Pirrung, Spielzeit 1977/78 (Foto: Archiv Thomas Butz)
Seppl Pirrung, Spielzeit 1977/78 (Foto: Archiv Thomas Butz)

Dreihundertzweiundfünfzig Mal FCK-Leidenschaft

Zum zehnten Todestag von Seppl Pirrung

11.02.2021

 

Es war eine traurige Nachricht, die heute vor zehn Jahren in Kaiserslautern und rund um den Betzenberg die Runde machte. Josef "Seppl" Pirrung hatte seinen langjährigen Kampf gegen ein tückisches Krebsleiden verloren und verstarb am 11. Februar 2011 im Alter von erst 61 Jahren. Auf Wunsch der Familie und wohl auch auf seinen eigenen Wunsch, fand die Beisetzung auf dem Kaiserslauterer Hauptfriedhof in aller Stille und nur im engsten Familienkreis statt. Wenn heute die Akteure des Fördervereins des FCK-Museums eine ihrer beliebten und aufschlussreichen Friedhofsführungen anbieten, ist das Urnengrab des Lauterer Rekordspielers im Gräberfeld UN-1 natürlich auch stets eine fest eingeplante Station beim Rundgang über das weitläufige Friedhofsareal.

 

Die Grabstelle, die seit nunmehr 10 Jahren von seiner Ehefrau Sybille liebevoll gepflegt wird, wirkt bescheiden. Vielleicht auch ein Ausdruck dessen, was Seppl Pirrung stets verkörperte. Ein bodenständiger und authentischer Pfälzer Bub. Einer, der nie zu den Lautsprechern im auch schon vor vier und fünf Jahrzehnten hektischen Profi-Fußballgeschäft gehörte. Einer, der sein Leben dem Fußballsport vermacht hatte und der sich mit keinem anderen Verein so identifiziert hatte, wie mit seinem FCK. Einer, der allen Herausforderungen des Fußballs und des Lebens stets mit kämpferischer Haltung entgegengetreten war. Solche gab es reichlich und so liest sich schon der Start in seine Fußballerkarriere wie eine fußballerische Horrorgeschichte.

Tor gegen den FC Bayern (Foto: 1. FC Kaiserslautern)
Tor gegen den FC Bayern (Foto: 1. FC Kaiserslautern)

Der am 24. Juli 1949 im pfälzischen Münchweiler an der Rodalb geborene Josef "Seppl" Pirrung durchlief bei seinem Heimatverein, dem FC Münchweiler, alle Stationen im Jugendbereich und erhielt als großes Talent schon früh Berufungen in Jugend-Auswahlmannschaften sowie in die Jugendnationalmannschaft. Bei einem Einsatz in der DFB-Auswahl bei einem UEFA-Juniorenturnier 1967 in der Türkei, erlitt Seppl Pirrung einen Bruch des rechten Schien- und Wadenbeines. Nach der vermeintlichen Genesung kam es aber gleich beim ersten Spiel zu einer erneuten Fraktur des rechten Beines und zu einer langen Erholungspause. Als Seppl Pirrung wieder einsatzfähig war, brach er sich zum dritten Mal binnen eines Jahres sein rechtes Bein, diesmal "nur" das Schienbein. Seine fußballerische Karriere schien bereits vorbei zu sein, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Dennoch gab Seppl Pirrung nicht auf und arbeitete sich wieder in den Spielbetrieb zurück. Inzwischen hatte er einen Vertrag beim 1. FC Kaiserslautern erhalten, konnte wegen der langen Verletzungspause aber erst am 30. August 1969 sein erstes Bundesligaspiel für die Roten Teufel bestreiten.

Foto: Archiv Thomas Butz
Foto: Archiv Thomas Butz

Kaum jemand hätte es nach dieser schier unfassbaren Leidensgeschichte für möglich gehalten, dass der nur 1,67 m große Lockenkopf Seppl Pirrung einer der erfolgreichsten Akteure in der Bundesligahistorie des 1. FC Kaiserslautern werden würde. Am Ende seiner Zeit auf dem Betzenberg hatte er 304 Bundesligapartien absolviert! Insgesamt kam er mit DFB-Pokal und UEFA-Cup auf sage und schreibe 352 Pflichtspiele im Trikot der Roten Teufel, in denen er insgesamt 68 Tore erzielte. Allein 61 Mal traf er in der Bundesliga ins Tor des Gegners! Es war kein einziges Spiel dabei, das er nicht mit Leidenschaft geführt hatte. Eine Tugend, die das Publikum auch damals stets verzückte. Als Rechtsaußen vermochte er seine Schnelligkeit, seine Gewandtheit und seine Finten und Tricks hervorragend zur Geltung zu bringen. Oft war er von seinen Gegenspielern nur mit Härte oder unfairen Mitteln zu stoppen, was ihm einerseits manche Blessuren eintrug, bei Heimspielen das Publikum aber zu wahren Entrüstungsstürmen veranlasste, wenn jemand den erklärten Publikumsliebling Seppl Pirrung wieder einmal über die Klinge springen ließ und zu Boden schickte. Manche Verletzung konnte Seppl Pirrung vermeiden, da er die gegnerische Attacke oftmals antizipieren und das zur Grätsche ausgefahrene Bein elegant überspringen konnte.

Foto: 1. FC Kaiserslautern
Foto: 1. FC Kaiserslautern

Von seinen präzisen Flanken und Zuspielen profitierten seine Mitspieler, zum Beispiel Klaus Toppmöller, der mit 108 Treffern erfolgreichste FCK-Torschütze in der Bundesliga. Aber auch im Strafraum geizte der quirlige Seppl Pirrung keineswegs mit beherzten Schüssen. Zu ganz besonderer Form lief er in einigen Spielen gegen den FC Bayern München auf. Unvergessen bleibt sein Auftritt gegen die Bayern vom 20. Oktober 1973. In dieser Begegnung wirbelte er die mit ihren großartigen Spielern Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Georg "Katsche" Schwarzenbeck, Uli Hoeneß und Gerd Müller angetretenen Münchener mal durch die Mitte, mal von rechts kommend immer wieder durcheinander und erzielte drei sehenswerte Tore. Nach einem 0:3 und einem 1:4-Rückstand ging der FCK mit einem sensationellen 7:4 gegen das konsternierte Münchner Starensemble vom Platz. Fast genau ein Jahr später gelang dem 1. FCK im Münchener Olympiastadion mit 5:2 ein spektakulärer Auswärtssieg über den FC Bayern. Auch bei dieser Partie zählte Seppl Pirrung erneut zu den überragenden Akteuren und Torschützen. Auch 1976 beim Heimspiel gegen die Bayern konnte Seppl Pirrung mit seinem Torerfolg beim 1:1 wenigstens einen Punkt retten.

Grabstelle von Seppl Pirrung (Foto: M. Gehring)
Grabstelle von Seppl Pirrung (Foto: M. Gehring)

Die Leistungen von Seppl Pirrung fanden auch darin Anerkennung, dass er von Bundestrainer Helmut Schön zu Lehrgängen eingeladen und in zwei A-Länderspielen eingesetzt wurde. Im Nachhinein erscheint es bedauerlich, dass Seppl Pirrung mit seinem FCK nie einen Titel erringen konnte, obwohl die Mannschaft damals mit Klaus Toppmöller, dem "Schwedenpfeil" Roland Sandberg und Seppl Pirrung ein Sturmtrio besaß, das gemeinsam 229 Bundesligatore erzielte. Zwei Teilnahmen an den DFB-Pokalendspielen 1972 und 1976, die leider verloren wurden, waren ein schwacher Trost.

Seppl Pirrung, Spielzeit 1978/79 (Foto: Archiv Thomas Butz)
Seppl Pirrung, Spielzeit 1978/79 (Foto: Archiv Thomas Butz)

Die Endphase von Seppl Pirrungs Bundesligakarriere war wieder überschattet von Verletzungen, einer Operation und schließlich dem Bruch eines Knöchels. Der FCK verlängerte den Vertrag mit seinem Rechtsaußen nicht mehr und so wechselte dieser 1981 nach Worms, wo er für die Wormatia in der Spielzeit noch 26 Einsätze in der zweiten Liga und zwei Auftritte im DFB-Pokal bestritt. Nach seinem Wormser Engagement hatte er seine Laufbahn als aktiver Spieler dann übrigens beim Amateurverein VfL Neustadt ausklingen lassen, wo er 1986 die Fußballschuhe endgültig an den Nagel hängte. Nach seiner Fußballkarriere wohnte der Familienvater Seppl Pirrung weiterhin in Kaiserslautern, spielte gerne Tennis und wirkte bis zu seiner schweren Erkrankung in einem Sport-Mode-Haus als Berater und Verkäufer. Der leidenschaftliche Fußballer, der sich nach so vielen Unglücksfällen und Rückschlägen nie hat unterkriegen lassen und sich immer wieder mit Bravour seinen Platz auf dem Fußballfeld zurückerkämpft hat, hatte gegen seine bösartige Erkrankung keine Chance und verstarb ein knappes halbes Jahr vor Vollendung seines 62. Lebensjahres. Sein Grab auf dem Hauptfriedhof Kaiserslautern liegt übrigens nur wenige Schritte von der Ruhestätte seines großen Vorbildes Fritz Walter entfernt.

 

An seinem zehnten Todestag gedenken alle FCK-Freunde in Dankbarkeit und Wehmut eines Spielers, der die Tugenden unseres Vereins im besten Sinne verkörpert hat.

 

hw / mg

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