Illustrierter Sonntags-Sportspiegel; Programmheft zur Partie Eintracht Frankfurt-1. FC Kaiserslautern (Bild: Archiv Eric Lindon)
Illustrierter Sonntags-Sportspiegel; Programmheft zur Partie Eintracht Frankfurt-1. FC Kaiserslautern (Bild: Archiv Eric Lindon)

Vor 60 Jahren startete die Bundesliga mit 16 Vereinen - unser 1. FCK war dabei

Am 24. August 1963 begann die erste Saison der neu gegründeten Fußball-Bundesliga

24.08.2023

 

In Sachen Professionalisierung hinkte der deutsche Fußball anderen Nationen um Jahre hinterher. Auch Fritz Walter hatte die Vorteile des Profifußballs bei Spielen mit seinem 1. FCK gegen ausländische Profiteams schon in den Fünfzigerjahren erkannt und für Deutschland die Einführung einer Bundesliga gefordert. Die Realisierung dieses Wunsches erlebte Fritz in seiner aktiven Laufbahn nicht mehr. Erst im Jahre 1962 war bei den Verantwortlichen des DFB der Entschluss gereift, in der Bundesrepublik Deutschland den Weg für eine Profiliga zu ebnen: Am 28. Juli 1962 fasste der DFB-Bundestag den Beschluss, für die Saison 1963 /64 eine eingleisige Bundesliga mit 16 Vereinen einzuführen.

 

Umgehend schickten zahlreiche Vereine aus dem gesamten Bundesgebiet ihre Bewerbungen für die Aufnahme in die künftige Bundesliga an den DFB - auch unser 1. FC Kaiserslautern. Der Erfüllung dieses Wunsches standen jedoch sehr hohe Hürden entgegen. So sollten nur zwei Vereine aus dem Bereich der Oberliga Südwest Aufnahme in die höchste Spielklasse finden. DFB-Präsident Neuberger wollte das Saarland in der Bundesliga vertreten wissen und begünstigte die Aufnahme des 1. FC Saarbrücken in das Fußball-Oberhaus. Somit blieb für die Südwest-Vereine nur noch ein Platz, um dessen Vergabe sich der 1. FC Kaiserslautern, der FK Pirmasens und Borussia Neunkirchen stritten, auch Wormatia Worms rechnete sich noch Chancen aus.

 

Als Voraussetzungen für die Aufnahme in die Bundesliga forderte der DFB von den Bewerbern neben der sportlichen Qualifikation den Nachweis einer gesunden wirtschaftlichen Grundlage und ein 35.000 Zuschauer fassendes Stadion mit einer modernen Flutlichtanlage.

 

Der 1. FCK stand somit vor einer Herkulesaufgabe. Um die Mittel für den Ausbau des Stadions zu beschaffen, veräußerte der Verein die "Löwenburg", sein schmuckes Vereinsheim. Dies wurde in einer Veröffentlichung des FK Pirmasens - von 1958 bis 1960 dreimaliger Südwestmeister - als Beleg für die finanzielle Misere des Konkurrenten aus Kaiserslautern gewertet. Die Folge war ein heftiger Streit zwischen FKP und FCK, der aber dank einsichtiger Führungspersönlichkeiten beider Vereine gütlich bereinigt werden konnte.

 

Für die Aufnahme in die Bundesliga würden die großen Erfolge und Verdienste des 1. FCK in der Fritz-Walter-Ära keine Rolle mehr spielen; der sicherste Weg zur Qualifikation war der Gewinn der Südwestmeisterschaft 1962/63. Und in dieser Richtung dachte damals auch FCK-Mannschaftskapitän Werner Mangold, als er während der Kontroverse mit dem FKP sagte: "Wir werden den Pirmasensern auf dem Platz die richtige Antwort geben."

 

Sportlich konnte der FCK nach dem Abschied der großen Meisterspieler in den Jahren 1958/59 nicht mehr so glänzen, wie in den Zeiten der Walter-Brüder, von Horst Eckel, Werner Kohlmeyer, XXX Render, XXX Wenzel und XXX Scheffler. Lediglich Werner Liebrich begleitete den Aufbau der neuen Mannschaft als Kapitän und kämpferisches Vorbild bis zum Sommer 1962. In den Abschlusstabellen fand sich der 1. FCK in diesen Jahren stets auf dem vierten oder fünften Platz.

 

Im September 1961 hatte sich der FCK in das Endspiel um den DFB-Pokal vorgekämpft. Gegner im Stadion von Gelsenkirchen war Werder Bremen, das mit 2:0 das Spiel gewinnen konnte. Die jungen Spieler um Werner Liebrich wie Jürgen Neumann, Winfried Richter und Gerd "Butzel" Schneider konnten in Gelsenkirchen überzeugen, dennoch war allen FCK-Anhängern klar, dass die Mannschaft im offensiven Mittelfeld noch eine Leitfigur sowie einen weiteren torhungrigen Stürmer dringend benötigte, wenn man die sportliche Qualifikation für die Bundesliga schaffen wollte.

 

Der neue Trainer des FCK, Günther Brocker, der 1962 Altmeister Richard Schneider ablöste, hatte mit seinen Neuverpflichtungen Glück. Der prominenteste Neuzugang war der aus Landshut stammende Willi Reitgaßl, der über Coburg zum Karlsruher SC gelangt war. Ursprünglich wurde Reitgaßl als Rechtsaußen eingesetzt, beim FCK entfaltete er jedoch bald eine hohe Qualität auf der halbrechten Position als Spielgestalter. Mit seinem dynamischen Antritt und seinen kernigen Schüssen entsprach er genau dem Spielertypus, den man im Pokalendspiel seitens der Lauterer so schmerzlich vermisst hatte. Von seinen Flanken und Vorlagen profitierten fortan auch der schnelle Mittelstürmer Winfried Richter sowie der andere Neuzugang des Sommers 1962, der von der Eintracht Frankfurt zum Betzenberg gewechselte Linksaußen Erich Meier. Da er in Frankfurt einige besonders gute Spiele unter Flutlicht absolviert hatte, nannten ihn seine Fans nur "Flutlicht-Meier".

 

Ein schweres Erbe trat beim FCK indes der aus Gelsenkirchen stammende Willi Kostrewa an, der die große Lücke schließen sollte, die Werner Liebrich 1962 durch seinen Abschied vom Betzenberg hinterlassen hat. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit vermochte sich Willi Kostrewa zu steigern und wurde in den nachfolgenden Jahren als Mittelläufer oder Verteidiger ein wichtiger Spieler auf dem Betzenberg.

 

Mit diesen Neuerwerbungen und Spielern, die aus der Walter-Mannschaft hervorgegangen waren, wie Heini Bauer, Gerd Miksa und Werner Mangold sowie jungen Talenten wie Torhüter Wolfgang Schnarr, Jürgen Neumann, Walter Gawletta, Gerd Schneider, Manfred Feldmüller, Dieter Pulter, Roland Kiefaber und Gerhard Settelmeyer startete Trainer Brocker das Projekt "Qualifikation für die Bundesliga".

 

Nach einem wenig überzeugenden Start des FCK mit Niederlagen bei Saar 05 Saarbrücken, Wormatia Worms und in Pirmasens kam die neu formierte Mannschaft immer besser in Schwung, steigerte sich spielerisch und lieferte Tore wie am Fließband. Deutlich meldete die Mannschaft vom Betzenberg im Januar 1963 mit einem 16:0-Erfolg über den SV Niederlahnstein ihren Anspruch auf die Südwestmeisterschaft an. Am 3. Februar stieg das mit großer Spannung erwartete Spitzenspiel des 1. FCK gegen den FK Pirmasens, zu dem sich laut der Aufzeichnungen von FCK-Pressewart Rottmüller 24.000 Zuschauer in das Stadion auf dem Betzenberg drängten. Der FKP lieferte eine starke Vorstellung, hatte aber letzten Endes dem von Neumann, Reitgaßl, Meier und Richter entfachten FCK-Sturmwirbel nichts mehr entgegenzusetzen.

 

Nach diesem 5:2-Erfolg waren die Anhänger der Roten Teufel überzeugt, die Meisterschaft und die Aufnahme in die Bundesliga geschafft zu haben. In den restlichen Spielen bis Saisonende konnte der 1. FCK bei zwei Niederlagen noch acht Siege einfahren. Letzte Zweifel an der Dominanz der Lauterer schwanden am 21. April 1963 nach dem 2:1-Auswärtssieg beim 1. FC Saarbrücken. Zum Abschluss der Saison gelangen gegen TuS Neuendorf und den SC Ludwigshafen mit 8:2 und 9:1 weitere eindrucksvolle Kantersiege.

 

Mit 47:13 Punkten und 110:34 Toren stand der 1. FC Kaiserslautern als Südwestmeister fest und kurze Zeit später traf das erlösende Telegramm des DFB in Kaiserslautern ein, in dem Geschäftsführer Hans Paßlack bestätigte, dem Antrag des 1. FCK zur Aufnahme in die Bundesliga sei stattgegeben.

Stadionzeitschrift zum ersten Bundesligaheimspiel des FCK gegen den FC Schalke 04 (Foto: Archiv Eric Lindon)
Stadionzeitschrift zum ersten Bundesligaheimspiel des FCK gegen den FC Schalke 04 (Foto: Archiv Eric Lindon)

Umgehend begannen auf dem Betzenberg die Baumaßnahmen zur Vergrößerung des Stadions. Die Ränge auf der alten Südtribüne wurden ebenso abgetragen wie die Ost- und die Westkurve. Bis zum Start der Bundesliga am 24. August 1963 blieben dem FCK nur zehn Wochen Zeit, die Arbeiten zu vollenden. Die US-Streitkräfte in der Region unterstützten unseren Verein mit schwerem Gerät. Auch an den Wochenenden brachten große Lastkraftwagen gewaltige Mengen an Schutt zum Aufstocken der Wälle zur künftigen Süd-tribüne und der nunmehr abgeflachten Westkurve. Darunter befand sich auch Trümmerschutt aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, der im Bereich der Entersweiler Straße abgeladen worden war. Im Juli und August radelte der Schreiber dieser Zeilen zwei bis drei Mal pro Woche hoch zum Stadion, um mit freudigem Stolz den Fortschritt der von Architekt Opp und Geschäftsführer Schickedanz beaufsichtigten Bauarbeiten zu bestaunen. Meter um Meter, Stufe um Stufe wuchsen die Tribüne und die Kurven - und bis zum ersten Heimspiel am 31. 08. 1963 gegen Schalke 04 waren die wesentlichen Arbeiten vollendet, so dass rund 34.000 Zuschauer das erste Bundesligaspiel in Kaiserslautern verfolgen konnten. Die Überdachung der Südtribüne erfolgte mit etwas Verspätung, die Flutlichtanlage auf ihren vier hohen schlanken Masten konnte in der Adventszeit 1963 in einem Freundschaftsspiel gegen Wormatia Worms in Betrieb genommen werden.

 

Während der Umgestaltung des Betzenbergs absolvierte der 1. FCK seine Endrundenspiele zur deutschen Meisterschaft 1963. Die Heimspiele fanden - wie zu Fritz Walters Zeiten - im Südweststadion Ludwigshafen statt und endeten gegen Herha BSC, den 1. FC Nürnberg und den 1. FC Köln jeweils unentschieden, während die Auswärtsspiele verloren gingen. Schwerer wog, dass sich schon im ersten Spiel Torjäger Erich Meier einen Beinbruch zuzog und für die restliche Endrunde sowie die Anfangsphase der Bundesliga nicht zur Verfügung stand. Diese Endrundenspiele hatten jedoch gezeigt, dass die FCK-Mannschaft weiter verstärkt werden musste, um in der Bundesliga mithalten zu können. Bis zum Bundesligaauftakt wurden daher Torhüter Dieter Strich, Mittelfeldspieler Willi Wrenger sowie der junge, schnelle Stürmer Harald Braner als neue Kräfte verpflichtet. Da zeitgleich die Invalidität von Gerd Miksa anerkannt wurde, durfte der 1. FCK noch einen weiteren Spieler unter Vertrag nehmen. Und dessen Name ließ aufhorchen: Es handelte sich um den niederländischen Nationalspieler Co Prins von Ajax Amsterdam, einen ausgezeichneten Techniker, der mit seiner Spielkunst die FCK-Fans oft begeisterte, mit seiner gelegentlich demonstrierten Eigenwilligkeit aber auch Kritik provozierte.

 

Die Stimmung in und um Kaiserslautern war vor dem Bundesligastart von gespannter Vorfreude, von Euphorie - bei manchen aber auch von Skepsis und Zweifeln - geprägt. Manche Kritiker trautem dem Verein aus der damals kleinsten Bundesligastadt nicht zu, auf Dauer die Klasse halten zu können, andere sahen die Aufwendungen für das große Stadion als Geldverschwendung. Als der FCK für die Errichtung der Flutlichtanlage einen Zuschuss von ca. 250.000 DM bei der Stadt beantragte, äußerten die Kritiker ihren Unwillen darüber, dass nun der Steuerzahler für die Pläne und Träume der FCK´ler aufkommen müsse.

 

Endlich kam der 24. August an den Himmel, der Tag des Bundesligastarts, den der FCK bei der Eintracht in Frankfurt bestreiten musste. Trotz aller Bedenken schlug sich die Mannschaft von Trainer Brocker im Waldstadion sehr tapfer und erreichte ein respektables 1:1-Unentschieden. Jürgen Neumann hat dabei per Elfmeter das erste Tor für den FCK in der Bundesligageschichte erzielt.

 

Eine Woche später stand die nächste schwere Herausforderung für die Roten Teufel bevor, das Heimspiel gegen die starke Elf von Schalke 04. Nie zuvor hatten so viele Fußballanhänger den Weg auf den Betzenberg gefunden - rund 34.000 Zuschauer gaben dem Ereignis einen prächtigen Rahmen. Die Schalker Führung glich Nationalspieler Willi Schulz mit einem Eigentor aus, doch in der zweiten Halbzeit machte sich die größere Routine der Knappen bemerkbar und die Königsblauen zogen auf 3:1 davon, ehe Willi Reitgaßl auf den Endstand von 3:2 verkürzen konnte. Trotz der Niederlage gab es Applaus und Anerkennung für die kämpferisch gute Leistung der Betze-Mannschaft.

 

Im nachfolgenden Auswärtsspiel konnte der FCK bei Hertha BSC Berlin seinen zweiten Punkt erringen, das Spiel endete 2:2, wobei Torhüter Schnarr mit einigen Glanzparaden den Punktgewinn sicherte.

 

Zwei Unentschieden und eine Niederlage - der 1. FCK war in der Realität der Bundesliga angekommen. Mit Herzklopfen und viel Daumendrücken sehnten sich die Anhänger des FCK nach dem so dringend benötigten ersten Sieg. Doch der nächste Gegner war ausgerechnet Werder Bremen, das dem FCK im Pokalendspiel 1961 keine Chance gelassen hatte ...

 

hw

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